Nach einem der letzten Auftritte, kam
ich mit einem Menschen ins Gespräch und fragte nach, wie es im
Norden so sei, das politische Bewusstsein, in Verbindung mit
Veranstaltungen. Ich hielt die Frage für angebracht, da die Person
selbst Veranstaltungen organisiert.
Nun wurde mir berichtet, dass es
durchaus Kontakt mit linken Strukturen gab. Dabei fiel negativ auf,
dass es Stress gab, weil bspw. auf Flyern nicht gegendert, statt
»jede_r« nur »jeder« geschrieben wurde. Du verstehst? Nein? Tja,
dann kann ich Dir auch nicht weiterhelfen.
Ich mache das auch manchmal so, vor
allem, wenn ich mich um Zeug zu kümmern habe, dass ich grade nicht
aufschieben will/kann. Oder ich habe keine Lust, mich in einer
Lehrer-Rolle wiederzufinden und anderen Menschen ihren *Ismus zu
erklären. Ich blocke unsanft ab, oder stresse. Und da schwingen bei
mir auch oft Vorurteile mit: feine und stärkere Facetten, aus
bereits Gesagtem, die mir eine hohe Wahrscheinlichkeit von
Derailing-Argumentation versprechen.
Und immer schwingt die Tatsache mit,
dass ich vom meisten *Ismus nicht betroffen bin.
Ich frage mich, warum viele Menschen
ihre Antworten bei Nichtbetroffenen suchen? Weil sie eigentlich schon
ihre Antwort vorgefertigt haben und diese nur noch bestätigt haben
wollen; und die Wahrscheinlichkeit dazu am höchsten ist, wenn
Nichtbetroffene Nichtbetroffene fragen?
Es gibt jedoch einige Fälle, bei denen
ich betroffen bin, oder war. Zum Beispiel bei der bisher einzigen
Veranstaltung in meinem Heimat-Kleinstädtchen, wo ich mitwirkte. Es
sollten an der Kasse Hartz4-EmpfängerInnen, erst ausgeschlossen
werden (durch entsprechende Eintrittspreise) und dann marginalisiert
werden (Vergünstigung durch Vorlage des beschissenen Bescheides).
Ich muss hier das Wort »marginalisiert« nicht kennen, wenn ich
selbst betroffen bin – die Feststellung von mir und anderen, das es
sich hart beschissen anfühlt, reicht. Jedenfalls stellte ich mich
natürlich quer, jedoch nicht ohne ein paar Konzepte parat zu haben.
Auf eines konnte sich geeinigt werden. Es schwappte dann kurz noch
eine Klassismus-Welle über die Aktion (solche niedrigen
Eintrittspreise, seien eine Prestige-Schmälerung für den Laden),
die aber gegen einen fast volles Etablissement brandete. Wie
letztlich ein +-0 für mich herauskam, weiß ich nicht. Auch wenn Du
die Eintrittspreise auf die Hälfte kürzt, ist ein +-0 (das nur
durch mein Konzept und die Hilfe dritter zustande kam), bei nahezu
Fullhouse, eine Erklärung wert - ansonsten schon eine ziemliche
Frechheit.
Aber Betroffen-Sein von Hartz4, sieht
mir erst einmal niemand an. Mich z.B. in Sachen Feminismus und
Sexismus zu befragen, kommt mir merkwürdig vor. Ich wirke, als Mann
gelesen, weiß, hetero, schlicht, wie ein ungünstiger
Ansprechpartner - für vieles - dünkt mir. Zumindest könnte ich
mich, der Theorie nach, zurücklehnen und es genauso machen, wie
viele Menschen in der selben Position.
Und genauso habe ich es auch gemacht.
Dir schlackern vielleicht die Ohren, wenn ich Dir erzähle, welche
*ismen und homophoben Ausdrücke zu meinem ständigen Vokabular
gehörten - welchen *ismus ich reproduzierte und ausübte. Das war in
meinem Umfeld nämlich völlig »normal«. Erst als es gehörigen
Widerstand gegen mein Scheißverhalten gab, fing ich an,
nachzudenken. Nicht dass lautstarker, zurecht emotional aufgeladener
Protest, die immer einzig wählbare Variante wäre, aber bei mir
führte diese nachhaltig weiter.
Und das Ganze war ein Prozess. Es hat
nicht einfach klick gemacht. Auch das Weglassen von *Ismen, wenn ich
denn begriffen hatte, dass es welche sind, führten nicht automatisch
zu einem Denken und Handeln, das ohne *Ismus auskommt.
Statt mich von der Konfrontation mit
meiner Scheiße tatsächlich abzuwenden, waren Fragen aufgeworfen
worden. Da ich kein Jünger von irgendwem, oder irgendwas sein will,
mir nicht nachsagen lassen will, dass ich nachplappern würde,
erschien mir die günstigste Methode, die Antworten bei Betroffenen
zu suchen. Das war damals nur so eine Ahnung von mir und anderen
Menschen und ist heute Methode. Gespräche, Lektüre, zusammen
abhängen - irgendwann mit der Bereitschaft zu lernen, statt
abwehrend Privilegien zu sichern. Und siehe da, es kamen Strukturen
zum Vorschein. Ähnliche Abläufe von Unvergleichlichem. Tausend Mal
reproduzierter Mist, der nur durch die ständige Wiederholung von mir
für wahr/normal genommen wurde. Die heraussprudelnden Emotionen, die
Folge von Verletzungen, rissen mich mit.
Ich hatte, und habe noch immer,
außerordentliches Glück, dass Betroffene, meist unter übelster
Belastung stehend, ihre Gedanken formulieren, Wissen und Bewusstsein
erarbeiten und mich daran teilhaben lassen.
Und dabei ist ein Anfang, den jemand
nehmen kann, denkbar einfach:
Schreibe ich »jeder« auf den Flyer,
oder jede_r, jede*r, jede/r?
Betroffene sagten und schrieben, und
eigentlich ist das heute an tausend Stellen zu lesen, dass sie sich
von »jeder« ausgegrenzt fühlen, es sich durchaus hart beschissen
anfühlen kann - Du verstehst. Muss das jetzt von Menschen, die sich
nicht betroffen fühlen, oder sind, groß und eitel diskutiert
werden? Es ist nur ein Zeichen mehr, bietet jedoch, schon in der
Konsequenz, eine ganze Menge mehr an Freiheit – die ohne weitere
Anstrengung gegeben werden kann, oder überaus bequem verwehrt
bleibt.
Auf das Dir und mir irgendwas aus dem Kopf wachse - aufs Geratewohl
blumseltsam
Auf das Dir und mir irgendwas aus dem Kopf wachse - aufs Geratewohl
blumseltsam
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen