Mich interessiert die Frage, ob eine
Untersuchung/Erforschung, eine Diskussion und das Reflektieren über
Privilegien, die verschiedenen *Ismen sichtbarer für eher
nichtbetroffene Menschen machen kann, oder das »Theoretisieren«
eher ein Vorhandensein von *Ismus verschleiert.
Wer sich auf die Thematik einlässt, im
Alltag unterwegs ist, bereit die eigenen »Privilegien« in Frage zu
stellen, hat eher begriffen, dass die eigene »Normalität« nicht
zwingend die von anderen Menschen sein muss, oder?
Es findet also ein Vergleich statt,
zwischen sich selbst und anderen. Nun wünsche ich mir innigst, dass
Menschen diesen Vergleich als Motivation sehen, sich mit anderen
Menschen auseinander zu setzen: Weiße gehen auf Poc zu, die
verschiedenen Geschlechter und sexuellen Realitäten setzen sich
zusammen hin, Wohlhabende und Arme tauschen sich über Verhältnisse
aus... Denn wie sollst du vergleichen, wenn du keine Ahnung davon
hast, wie es bei anderen aussieht? Es wird im Folgenden
sensibilisiert und solidarisiert, die meisten fallen sich in die Arme
und haben sich ganz doll lieb (oder es wird eben aufbegehrt) – und
aus dieser Konsequenz werden unterdrückende Machtstrukturen nicht
verlagert sondern aufgelöst.
Es wurde ja erwähnt, dass viele
Menschen eher nicht dazu neigen, die eigenen »Privilegien« zu
hinterfragen, was ein gutes Argument ist, um eben Forschung in diesen
Bereichen zu betreiben. Und ich denke auch, dass wenn sich beim
Hinterfragen der moralische Aspekt etwas im Hintergrund hält und
nicht alleiniger Richtwert ist, eher Antworten gefunden werden
können. Hier, beim Stichwort Moral, möchte ich etwas ausholen:
Wenn Bloody Mary mir erzählt, dass es
sich beschissen anfühlt, wegen weiblicher Merkmale diskriminiert zu
werden, dann kann ich das als sozialisierter Mann im besten Fall
akzeptieren/respektieren/berücksichtigen/sich zu Herzen nehmen, aber
nicht in der ganzen Emotionalität begreifen.
Ich kann mich sensibilisieren, mir
Verhaltensstrategien aneignen, den Mund aufmachen und kritisieren,
wenn ich *ismus sehe. Aber wie es sich anfühlt, als Betroffene_r,
kann ich nur ahnen, als Nichtbetroffene_r nur vermuten, wie komplex
das Leben sich für von *Ismus Betroffene gestaltet.
»Es tun mir viele Sachen weh, die
anderen nur leid tun«, begreift Lichtenberg.
Ich bin als Nichtbetroffene_r, von
meinem moralischen Standpunkt allein her, nicht in der Position, von
*Ismus Betroffene zu be/verurteilen, meine ich. Stimmt ihr mir da zu?
Strukturen zu untersuchen, kann
Verhältnisse aber offen Legen. Strukturelle Diskriminierung kann
bewiesen werden. Empirische Forschung kann eine Tendenz vom Ausmaß
zeigen. Und ich erhoffe mir, nein ich verlange, vom Ansatz der
Privilegien-Theorie, ganz klar Rückendeckung für Betroffene.
Das Wissen, wie viele Menschen
tagtäglich verhungern, wie viele Flüchtlinge heute wieder
umgekommen sind … es taugt leider derzeit nicht um eine kollektive
Motivation zu erzeugen, die diesen offensichtlichen und
menschenfeindlichen Missstand auflösen will. Ich nenne das dann
jetzt einfach mal »Ignoranz«. Und ich hätte gern von der
Wissenschaft gewusst, oder bestätigt, ob die Ausstattung von (immer
noch) wenigen, mit diesen »besonderen, nicht ausgesuchten
Privilegien und ihren indirekten Folgen«, nicht eine systemische
Funktion darstellt, die diese Ignoranz (mit)erzeugt – ob diese Art
der Privilegierung selbst, nicht eine künstliche Verknappung von
Rechten, Würde und ökonomischer Möglichkeiten widerspiegelt.
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